Neben den Italienern Macbeth, die in den 90ern mit "Romantic Tragedy's Crescendo" ein starkes Gothic Metal-Album ablieferten und noch heute aktiv sind,
gab bzw. gibt es noch Kohorten anderer Bands, die sich ebenfalls namensseitig beim ollen Shakespeare bedienten, u.a. eine aus Erfurt mit dem
Gründungsdatum 1985. Diese Band hatte bald mit diversen Erscheinungen des real existierenden Sozialismus zu kämpfen, der sich in der direkten
Auseinandersetzung als der Stärkere erwies, auch als sich die Band auflöste und in veränderter Besetzung ab 1987 als Caiman weiterspielte,
wenngleich der Sieg gegen den "dekadenten" Musikstil diesmal ein Pyrrhussieg war, denn er kam paradoxerweise durch die politische Wende zustande: Die
Rhythmusgruppe ging in den Westen, und der kurz zuvor aus dem Gefängnis entlassene langjährige Sänger beging noch 1989 Selbstmord.
Selbst die Caiman-Reunion, beginnend 1993, fand mit dem langen Arm der Vergangenheit ihr baldiges Ende, denn der Schlagzeuger kam mit den Verhältnissen
in den Altbundesländern nicht klar und stürzte sich in Frankfurt/Main aus einem Hochhausfenster im 22. Stock. Erst ein neuer Anlauf unter dem
Macbeth-Banner anno 2003 mit noch zwei Gründungsmitgliedern an Bord sollte sich als stabil erweisen und führte mittlerweile auch schon zu
konserviert erhältlichen Zeugnissen. Die vorliegende CD allerdings enthält, wie der Titel schon assoziiert, historisches Material, nämlich
solches, das von 1985 bis 1989 unter den Namen Macbeth und Caiman (hier irritiert die äußere Gestaltung der CD ein wenig, denn auf Caiman, die
übrigens ein niedliches Maskottchen, nämlich einen an eine typische DDR-Überland-Stromleitung angeschlossenen gitarrespielenden Kaiman, hatten,
wird erst auf der Bookletrückseite, noch nicht mal auf dem Backcover, hingewiesen) konserviert wurde. Komme nun niemand und erwarte High End-Aufnahmen -
man vergegenwärtige sich, unter welchen Bedingungen solche Aufnahmen in der DDR entstanden, nämlich als Mitschnitte live im Proberaum oder im
günstigen Fall als Rundfunkproduktion für einzelne Titel (offizielle Metal-Longplayer von Einzelbands erschienen, wenn man "Phönix" von Prinzip
nicht unter "Metal" faßt, in der DDR ganze zwei, aber zumindest zwei exzellente bzw. gute: "Live im Stahlwerk" von Formel 1 und "Dynamit" von Babylon).
Fast alles spielte sich also im inoffiziellen Bereich ab, und das verleiht dem Material einen angenehm ungekünstelt-ehrlichen Touch, der das gewisse
soundliche Defizit locker wieder wettmacht. Sowas wie Overdubs konnte man sich beim "Live im Proberaum"-Aufnahmeverfahren, wollte bzw. konnte man nicht
hinterher noch größeren Nachbearbeitungsaufwand investieren (wir reden wohlgemerkt über Zeiten, als noch niemand wußte, wie "ProTools"
geschrieben wird, geschweige denn, was das sein könnte), prinzipiell nicht leisten, und so kommt in vielen Songs, wenn beide Gitarristen zweistimmig
solieren, allein durch den fehlenden Riffunterbau ein gewisser Iron Maiden-Touch zustande, der allerdings in der
Gesamtbetrachtung etwas schwächer ausfällt als beispielsweise bei Formel 1. Judas Priest können eher als musikalische Vorbilder angesehen
werden - witzigerweise erinnerte der langjährige Sänger Detlev Wittenburg auch optisch ein wenig an Rob Halford, und wenn er höher zu schreien
beginnt, machen sich auch ein paar stimmliche Parallelen bemerkbar. Trotz eines Titels wie "Bomber" haben Motörhead allerdings keine Spuren im Sound
der zumeist als Quintett agierenden Band hinterlassen, und der extrem verzerrte Gitarrensound (vor allem bei der einen Leadgitarre) klirrt so, als ob man
eine alte Metalkassette im einfachen Walkman (für die Jüngeren: das ist so eine Art Vorgänger des iPods, den man mit Kassetten fütterte,
die man nach 30 bzw. 45 Minuten wenden mußte, wenn man kein superfortschrittliches Gerät hatte, das danach auch gleich noch die zweite Seite
wiedergab) abspielen würde. Allerdings waren die Jungs offensichtlich exzellente Musiker, vor allem die Gitarristen, die sich etliche hervorragende
Soli aus dem Kreuze leiern, aber auch die Rhythmusgruppe hat keine Angst vor Breaks und variiert das Tempo geschickt zwischen schleppend und speedlastig.
Gesungen wurde übrigens zunächst weitgehend in Deutsch, weil das in der DDR die Grundvoraussetzung war, um eine Einstufung für eine
höherklassige Spielerlaubnis oder gar eine Rundfunkproduktion zu bekommen - interessanterweise sind aber die späteren Aufnahmen, die Gitarrist
Ralf "Zeidler" Klein eingesungen haben müßte, als Detlev Wittenburg im Gefängnis saß, weitgehend englisch betextet, als sich die Band
entweder desillusioniert keine Hoffnungen auf einen größeren Status mehr machte oder aber die Einstufungskriterien nicht mehr ganz so restriktiv
ausgelegt waren. Die Tracks 11 bis 13 geben unvollendete Proberaummitschnitte wieder, wobei nur noch der Gesang fehlt - paradoxerweise geben allerdings alle
drei als Instrumental eine so gute Figur ab, daß ihnen nichts fehlen würde, wenn sie so auf einem Album gelandet wären. Speedlastiger
Traditionsmetal der Sonderklasse! Gehen wir chronologisch vor, entdecken wir auf der CD zunächst vier Macbeth-Stücke von 1985, eröffnend
mit dem abwechslungsreichen CD-Titelgeber und gefolgt von der schleppenderen Bandhymne, die mit einer herrlich blechernen Glocke eingerahmt wird (und wo
man die Krähe zum Schluß noch her hat ...). "Bomber I" hieß damals sicher nur "Bomber" und hat hier die römische Zahl zur Unterscheidung
der 1987er Caiman-Version des Titels, hier "Bomber II" betitelt, bekommen. Auch "Höllenfeuer" gibt es von Caiman noch einmal in einer 1987er
Neubearbeitung, dort "Hellfire" betitelt. Zwischen "Hellfire" und "Bomber II" schiebt sich eine herrlich schaurig-schräge Ballade namens "Ohne Dich"
(hier zerbröselt der Gitarrensound jeglichen romantischen Anflug zu Staub, auch der Text ist hier und da eher unfreiwillig komisch). Die drei 88er
Caiman-Aufnahmen heißen "High To Metal", "Death Under Moonlight" und "Excalibur" und sind im Gegensatz zu "Hellfire", dessen einziges englisches
Wort der Titel ist, komplett englisch betextet; hier macht sich eine etwas härtere Gangart bemerkbar, die auch mit den deutlich rauheren Vocals von
Ralf korrespondiert und sich in den von 1989 stammenden instrumentalen Proberaummitschnitten auch ohne den Gesang Bahn bricht. Interessantes Detail am Anfang
des ersten der namenlosen Songs: Der Schlagzeuger zählt ein, der Song wird aber kurz nach Einsetzen der ersten Gitarre abgebrochen, der Schlagzeuger wird
angepfiffen, warum er denn so langsam eingezählt habe, und es geht nochmal, diesmal aber deutlich schneller, los. Gerade diese mitgeschnittenen Details
bilden einen zusätzlichen dokumentarischen Reiz des Materials - so blieben auch die Radiokommentare zu "Hellfire" und "Bomber II" erhalten, dazu auch
die Ansage zum 1987er Livemitschnitt von "Hellfire", der auf dem Gig vor der Einstufungskommission getätigt wurde und in dem der Sänger den mitunter
leider auch heute noch gängigen Begleiterscheinungen von Metalgigs (Scheiben kaputt, Leute angepöbelt ...) eine klare Absage erteilt ("Das
gehört nicht zum Heavy Metal!"). Neben diesem Livemitschnitt schließen zwei weitere von 1988, beide mit anderweitig noch nicht vertretenen Songs
und wieder von Ralf gesungen ("We Trash" enthält das härteste Material der Band), diese Geschichtsstunde in Sachen DDR-Metal ab, der hoffentlich
noch viele weitere des neuen Labels German Democratic Recordings folgen werden. Die "Zeit der Zeiten" sollte nicht vergessen werden (der Rezensent hat sie
ja altersbedingt nur noch peripher miterlebt, aber CrossOver-Gründervater Thomas, zu DDR-Zeiten im tiefsten Leipziger Underground Straßenmusik
machend, kann lange Geschichten erzählen, wie das damals so zuging ...), und dazu eignet sich die vorliegende CD ganz vorzüglich, wenngleich man
wie erwähnt natürlich soundliche Abstriche machen muß. Aber zumindest den Freakkreis, der heute peruanische Aufnahmen aus den 90ern oder
neuzeitlichere vietnamesische Aufnahmen hört, die so klingen wie 80er-DDR-Aufnahmen, sollte das nicht stören.
(geschrieben von Roland Ludwig im April 2008)
|