Seit 1982 als Pop-/Rock-Band aktiv und 1984 sogar mit drei Songs auf der Amiga-Kleeblatt-LP Nr. 11 vertreten (darunter "Liebe
im Fahrstuhl", ein Thema, dem sich Aerosmith einige Jahre später deutlich ertragreicher widmen sollten, und das kultig betitelte
"Alle wollen nur seine wunderschöne Freundin kennenlernen"), entschloß sich die Erfurter Band Prinzz Ende 1986, sich von nun an
verstärkt metallischen Klängen zu widmen; man trennte sich also vom Keyboarder, wechselte den Schlagzeuger aus und stand nun in
der Besetzung Kerstin Radtke (v), Tommy Feiler (g), Jens Hellmann (b) und Frank Fiebach (dr) bereit, die Metalwelt zu erobern.
Das gelang schrittweise - man änderte den Bandnamen in Blitzz, um Verwechslungen mit dem damals noch Prince genannt werden wollenden
Amerikaner zu vermeiden, spielte auf etlichen größeren Festivals, tourte umfassend mit MCB, supportete 1988 Kruiz bei einem
Open Air in Berlin und brachte es im gleichen Jahr sogar zu einer Tour im Land des Großen Bruders, wenngleich "nur" in der
Litauischen Sozialistischen Sowjetrepublik, die aber dennoch zu einem großen Erfolg wurde, was freilich nicht allein an Blitzz
lag, sondern auch daran, daß einige Konzerte mit einer gewissen Band namens Die Toten Hosen absolviert wurden. Westkontakte
verhalfen dann in anderer Richtung zu einem scheinbaren Karrierefortschritt: Gama Records aus Stuttgart wollten ein Album von
Blitzz veröffentlichen, und so spielte das Quartett 1989 zwölf Songs ein - nicht bei Jürgen Matkowitz, der fast alle DDR-Metal-Produktionen
betreute, sondern bei Sieghart Schubert in Quadenschönfeld, wo "der Rest" aufnahm, der über die Arbeitsbedingungen in der Regel
begeisterter war, weil Schubert im Gegensatz zu Matkowitz nicht mit einem Drumcomputer arbeitete. Trotzdem waren Gama mit dem
Sound nicht zufrieden, verlangten Nachbesserungen, und nach einigem Hin und Her verschwanden die Aufnahmen ganz in der Schublade.
Wäre nicht die Wende dazwischengekommen, man hätte sich sicherlich noch intensiver um eine Veröffentlichungsmöglichkeit bemüht,
aber so ging 1989 bis 1991 erstmal alles drunter und drüber: Blitzz tourten mit Holy Moses, brachten bei SPV das Minialbum
"Do The Blitz" heraus, wurden aber wieder gedroppt, bevor sie an die Aufnahmen des Nachfolgealbums gehen konnten, und lösten sich
schließlich frustriert auf, blieben dem aktiven Musikerdasein aber zumindest partiell treu - Hellmann verwandelte sich in den
Spaßrocker Vicki Vomit, und in dessen anfangs häufig den Namen wechselnder Begleitband (The Sisters Of Jelzin, The Mutschekübchen
Of Death, The Power Of Parkplatz, Die Kraft der zwei Herzen ...) spielte gelegentlich auch Feiler mit.
Die Aufnahmen für das Gama-Album galten lange Zeit als verschollen, aber zufälligerweise konnte in einer Schublade doch noch eine
Kassette gefunden werden, die alle zwölf Songs in prinzipiell verwertbarer Qualität enthielt. Selbiges verschollenes Album bildet
nun also den Grundstock der vorliegenden CD und wirft die Frage auf, was passiert wäre, wenn es 1989 tatsächlich veröffentlicht
worden wäre. "Do The Blitz", so sagen die Liner Notes im Booklet, sei 1990 durchaus gut verkauft worden - allerdings nicht in
den neuen Bundesländern, denn die dortigen Metalfans hatten erstmal genug damit zu tun, all die Alben nachzukaufen, die ihnen im
Jahrzehnt zuvor entgangen waren oder die sie nur in der fünften Kassettenkopie besaßen, auf der man nur wenig mehr als das Rauschen
des Meeres hören konnte. Den Exotenbonus hätte also auch das besagte Album gehabt, vielleicht sogar noch einen größeren, denn wenn
alles nach Plan gelaufen wäre, wäre es zu einem Zeitpunkt erschienen, als die Mauer noch stand, und als Ostband konnte man durchaus
allein aufgrund seiner Herkunft damals noch auf ein gewisses Interesse rechnen, wie es beispielsweise Kruiz im Vorjahr vorgemacht
hatten, hinter denen allerdings auch eine Majorplattenfirma stand, die finanzielle und strukturelle Möglichkeiten besaß, wie sie
Gama nicht zur Verfügung gestanden hätten. Zumindest ein Achtungserfolg aber wäre sicherlich drin gewesen, zumal Blitzz mit Radtke
eine Sängerin am Mikrofon stehen hatten, was in den Endachtzigern noch als Seltenheit durchging, und sich der musikalische Wind
noch nicht so stark gegen die metallischen Traditionalisten gewendet hatte ("Nevermind" war noch nicht erschienen, und auch die
anderen Seattle-Bands arbeiteten noch in ihren Proberäumen). Das Minialbum wurde in der Presse damals bisweilen mit Motörhead
verglichen, was sich anhand des Albums indes nur mit Mühe nachvollziehen läßt - Hellmann setzt seinen Baß allerdings in der Tat
bisweilen ähnlich ein wie Lemmy, was man in diversen Intros prima hört ("Lucifer", "Black Is Black"), und eine kleine Neigung zu
Bluesschemata schimmert auch hier und da mal durch (Intro zu "Demon Of The Night"). Hinzu tritt die Neigung zu flotter
Musiziergeschwindigkeit, die freilich nicht als Allheilmittel eingesetzt wird, um etwa Songwritingschwächen zu kaschieren - Blitzz
waren routinierte, aber originelle Songwriter, die ihre Wurzeln kannten, aber die Einflüsse geschickt zu ihrem eigenen Sound
zusammensetzten und mit Radtke zudem einen Originalitätsfaktor am Mikrofon stehen hatten. Die Sängerin hatte 1985 den Goldenen
Rathausmann in Dresden, einen wichtigen DDR-Gesangs-Nachwuchswettbewerb, gewonnen, und ihre vielschichtige Stimme eröffnete Blitzz
eine Fülle von Möglichkeiten - ansonsten wäre der Wechsel von der Rock- zur Metalband keineswegs so reibungslos vonstatten gegangen.
Zumeist artikuliert sie sich recht kräftig, bleibt aber immer melodisch, erreicht ansehnliche Höhen und verpaßt zugunsten der
Expressivität auch mal die eigentlich vom Song vorgezeichnete Hauptlinie, was das Material freilich noch origineller macht. Da Blitzz
wie jede andere DDR-Band auch zahlreiche Coverversionen im Repertoire hatten, mußte Radtke zudem mit einer Vielzahl von Stimmvorgaben
zurechtkommen. Zwei Covers hätten auch auf der LP stehen sollen: "Black Is Black", wo allerdings einer der Herren singt (vermutlich
Hellmann), und Alice Coopers "School's Out", das Radtke und (wohl) Hellmann im Duett singen und das richtig Laune macht. Unter den
sieben Tracks, die nach den zwölf LP-Songs kommen und die CD auf 75 Minuten Spielzeit schrauben, befinden sich noch zwei weitere
Covers: "Medusa" von Anthrax in einem 1988er Livemitschnitt, wo die Sängerin bisweilen seltsam quietschende Laute von sich gibt
und am Anfang versucht, das Publikum zum Mitsingen einer recht langen und komplexen Melodie zu animieren, und das beim Kruiz-Support-Gig
im gleichen Jahr mitgeschnittene "I'm Alive" (von Helloween, wie eine Stimme im Publikum korrekterweise schon nach den ersten Tönen
des "Invitation"-Intros bemerkt), das allerdings mit nur einem Gitarristen im Soloteil kaum adäquat umsetzbar ist und zudem verdeutlicht,
welche Schwierigkeiten eine DDR-Band hatte, wenn sie die Lyrics der gecoverten Tracks mühsam herauszuhören versuchen mußte (das
Phänomen kennt der DDR-Metal-Liebhaber auch von "Hallowed Be Thy Name" in der Formel-Eins-Fassung). Von den anderen fünf Songs stammen
drei aus Rundfunkproduktionen des Jahres 1987, als die Band noch Prinzz hieß und zudem noch deutsch sang, wie es in der DDR offiziell
gefordert war (die Gama-Produktion als internationales Joint Venture durfte diese Forderung allerdings negieren, und die Band hatte
1988 sowieso entschieden, in Zukunft nur noch Englisch zu singen, koste es, was es wolle). Das zum Titeltrack der vorliegenden CD
erkorene "Tarantella" gibt es hier ebenso in einer Frühform wie das Instrumental "EL 34", das die traditionsmetallischen Wurzeln der
Band wohl am deutlichsten offenlegt, wobei die Frühformen zeigen, daß die Band ihren Stil 1987 bereits gefunden hatte und in den
Folgejahren nur noch gewisse Feinjustierungen (und natürlich produktionstechnische Veränderungen) anstanden. Auch "Leichte Beute"
(ein 1987er Livemitschnitt) und "Die Titanic sinkt" (1987 als Demo aufgenommen) passen sich stilistisch hier gut ein, wenngleich die
geplante LP auch noch andere Facetten des Bandschaffens zur Schau stellt. Zum einen war die Durchschnittsgeschwindigkeit besonders
auf der imaginären A-Seite etwas höher, zum anderen befand sich dort auch ein experimentelles Stück wie "Voices", das schon fast in
die "Anything goes"-Neunziger verweist und als Opener der B-Seite einen recht ungewöhnlichen Platz eingenommen hätte (sofern die
Reihenfolge hier auf der CD der geplanten Albumreihenfolge entspricht). Einige der unveröffentlicht gebliebenen Songs tauchten
übrigens später in abermaligen Neueinspielungen auf "Do The Blitz" auf, was dem Besitzer beider Scheiben zu weiteren interessanten
Vergleichen verhelfen kann. Mit "Tarantella" liegt jedenfalls ein wichtiges Stück DDR-Metalgeschichte vor, das auch unabhängig vom
historischen Aspekt ein Hören für traditionsmetallisch gepolte, aber auf der Suche nach dem Besonderen befindliche Liebhaber lohnt.
(geschrieben von Roland Ludwig im Februar 2014)
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