PRESSE-ECHO ZU "HEAVY-BRAUT (1983-1989)" VON PLATTFORM

 
 

Diese nahtlos chronologisch angeordnete Zusammenstellung des Schaffens der Cottbuser Band Plattform ist die nunmehr dritte Veröffentlichung aus dem Hause GDR. Die Texte sind logischerweise in deutsch und gut verständlich und die Themen alltäglicher Natur. "He Doktor" handelt von einem Simulanten, der zum Arzt geht weil er zu viel gesoffen hat und nicht fähig ist, zur Arbeit zu gehen. Das Lied hat natürlich auch einen wertenden moralischen Unterton, was das Ganze ziemlich lustig macht. Verrauchter und heavy-mäßiger geht es mit "Zieh Leine" weiter, welches erst drei Jahre später (also 1986) entstand. Mittlerweile klingt die Band auch professioneller und härter. Dieser Umstand ist nicht nur der sehr fähigen Sängerin Micky geschuldet, sondern auch dem Fakt, dass durch die NVA die Band zerrissen wurde und schließlich Musiker tonangebend wurden, die den Iron Maiden und Judas Priest-mäßigen Klängen hinterher spielten! Hier können meine ganzen Death Metal und Grindcore Kumpels sagen was sie wollen, aber "Heavy Braut" ist echt ein saustarker Song! Das 1986 erschienene Lied strotz nur so vor Energie! Und auch "Haut und Haar" setzt dem New Wave of Ostzonalen Heavy Metal (NwoOzHM) einen denkwürdigen Granitstein! Auch wenn es mit "Lichter der Nacht" etwas balladesker weitergeht, reißt meine Begeisterung für diese Spielweise des Heavy Metals nicht ab! Gitarrensolo und sauberer Gesang begeistern mich hier genauso wie der Titel "Lichter der Nacht", welche auch im Text besungen werden. Mit "Shout It Out" (Doro) und "Bloodstone" gibt's noch zwei Coverversionen vor den Latz geknallt. Das Lied "Stapellauf" stammt aus der schmidtchen Feder des Formel 1 Sängers und ist demnach nicht von Plattform. Vom Lied Nummer zehn an gibt's sieben Live Versionen von teilweise bekannten Stücken. Die Bilder im Booklet und der dazugehörige Text sind auch sehr lustig bzw. informativ. Mit insgesamt 19 Stücken kann man bei der Anschaffung dieses musikalischen Meilensteins nichts verkehrt machen. PS: Da hier auf deutsch gesungen wurde, bekomme ich den Refrain von "Abgehaun" bzw. "Sechzehn Jahre sein" nicht mehr aus dem Kopf. Hammersongs, also unbedingt auch den Text hören!

(geschrieben von Fidel, erschienen im FATAL UNDERGROUND Nr. 31)


 
 

Nach Wiederveröffentlichungen alter Aufnahmen von Macbeth und Titan widmen sich German Democratic Recordings mit PLATTFORM einer weiteren DDR-Metal-Legende. Oberflächlich betrachtet, kann man die Cottbuser als ostdeutsches Pendant zu Warlock und Sängerin Michaela "Micky" Burkhardt als Doro Resch der DDR bezeichnen. Doch wenn man sich näher mit der Musik beschäftigt, wird man schnell der Tatsache gewahr, dass PLATTFORM mehr zu bieten hatten als dann und wann schon mal etwas peinliche deutsche Texte und eigenwillige Outfits: So manches Mal gelangten wirklich geniale Heavy-Riffs in die Songs, so manches Mal wird die NWOBHM zum Leben erweckt. So manches Stück vermag sich einem Ohrwurm gleich in den Gehörgängen festzusetzen ("Heavy-Braut", "Feuer", "Abgehaun"), und wenn man sogar noch das Kunststück schafft, eine stimmungsvolle Ballade wie "Lichter der Nacht" ohne aufgesetzten Pathos ehrlich rüberzubringen, ist des Rezensenten Herz vollends eingenommen. Los geht's mit "He Doktor (Der Simulant)", das einst wegen des "aufrührerischen" Textes von der Staatsmacht verboten wurde. Leider ist genau dieses Stück nicht allzu repräsentativ für die Musik, die folgt, aber die frühe Platzierung dieses Tracks auf der CD geschah auf Wunsch der Band. Danach bricht das Hard Rock-/Heavy-Gewitter los, und so manches Mal agieren PLATTFORM gefährlich nahe am reinen Speed Metal. Zu zwölf Studio-/Demoaufnahmen gesellen sich sieben Live-Tracks, darunter auch Cover-Versionen von Warlock ("Shout lt Out") und Judas Priest ("Bloodstone"). Selbst der Sound der Live-Songs geht völlig in Ordnung, von den restlichen Stücken ganz zu schweigen... Musikalisch hatten die Musiker ihre Hausaufgaben gemacht, und es wird hier sehr deutlich, wieso PLATTFORM zu einer der bekanntesten und erfolgreichsten Heavy Bands der DDR gediehen. Nach der Wende zerfiel die alte Besetzung, und der Name wurde in Platvorm geändert, was nur konsequent war, da ebenso das einstige Aushängeschild Michaela die Kapelle verlassen hatte, um sich fortan auf ihre Solokarriere unter dem Pseudonym Micky Burgk zu konzentrieren. Die glorreichen Zeiten waren vorüber, es folgte nur noch das Wiedergeben von Coverversionen auf Biker-Treffen, Studenten-Partys sowie im Rahmen von Stadt- und Volksfesten. Die DDR ist mittlerweile längst Geschichte und somit auch eine ihrer kultlgsten Bands; welch ein Glück, dass auch Zu-spät-Geborene und Liebhaber des Ost-Metals gleichermaßen mit dieser erstklassigen Zusammenstellung nebst Band-Geschichte im Booklet und raren Fotos eine kleine Zeitreise unternehmen können!

(geschrieben von Christian Wachter, erschienen in LEGACY Nr. 61 im Juli 2009)


 
 

Plattform gehörten zu den wenigen Metalbands, die schon zu DDR-Zeiten einen offiziellen Release vorweisen konnten: Vier Songs wurden anno 1987 auf dem Amiga-Sampler "Kleeblatt Nr. 22" veröffentlicht, drei von ihnen finden sich auch auf vorliegendem Album wieder, der vierte, der CD-Namensgeber "Heavy-Braut", gar gleich doppelt, aber eben gerade nicht in der Fassung vom Sampler. Der Reihe nach: "He Doktor (Der Simulant)" entstand 1983 und erregte wegen seines Textes, der nichts mit der in der DDR gewünschten Arbeitsmoral zu tun hatte (es geht um Krankfeiern), seinerzeit öffentlichen Anstoß, zumal der fröhliche Hardrock musikalisch den Text eher untermauert als ihn konterkariert. Hier singt noch ein Mensch namens Jerry, der aber eher in Richtung Bluesrock gehen wollte, so daß Bandkopf Detlef Kotte die Band zunächst auflöste und später komplett neu formierte, zunächst mit sich selbst am Mikro. Er merkte aber bald, daß das nicht die Ideallösung war, konzentrierte sich in Zukunft aufs Baßspielen und Backingsingen, und man suchte einen neuen Sänger, fand aber keinen geeigneten und gab daher Michaela "Micky" Burkhardt eine Chance. Das stellte sich für diese Zeit als Volltreffer heraus, wenngleich die ersten beiden konservierten Songs dieser Besetzung vom April/Mai 1986, das recht harte "Zieh Leine" und die Halbballade "Fliegen", noch eher eine Findungsphase verdeutlichen, wie man mit dieser neuen Besetzung umgehen und ihre Stärken herauskristallisieren sollte. Das Ergebnis dieses Findungsprozesses demonstrieren die nächsten beiden Songs, nur ein Vierteljahr später aufgenommen: Schon die Frühfassung der "Heavy-Braut", eines kultigen Songs im treibenden gehobenen Midtempo, überzeugt weitestgehend, und vor allem Micky hatte ihre Rolle als leicht kreischige Sirenenstimme gefunden. Lediglich die Vocals von Detlef, die hier in die Bridge eingeflochten werden, überzeugen in dieser Frühfassung noch nicht ganz, da sie zu stark effektbeladen wurden - das hat die Band dann ein Jahr später in der Zweitfassung organischer hinbekommen, und dort klingt Detlef an dieser Stelle wie der Gitarrist von Torfrock, der in "Beinhart" die Bridges singt. Selbige Zweitfassung bleibt exklusiv dem Amiga-Sampler vorbehalten, aber der ist ja auch gerade in der Amiga-Heavy-Box wiederveröffentlicht worden, so daß einer Komplettierung der Sammlung kein Hindernis entgegensteht. Die Halbballade "Lichter der Nacht", das speedmetallische "Feuer" und das auch recht schnelle, allerdings gekonnt mit einer bombastischen ersten Bridgehälfte kombinierte "Abgehaun" (das auf dem Sampler in "Sechzehn" umbenannt werden mußte, allerdings trotz des auch nicht gerade DDR-Themen-kompatiblen Textes, in dem es um eine jugendliche Ausreißerin geht, zumindest erscheinen durfte) stehen parallel auf dem Sampler bzw. der Box und auf der hier reviewten Kompilation und zeigen Plattform auf einem der Höhepunkte ihres Schaffens. Aus der gleichen Aufnahmesession wie die Frü hfassung von "Heavy-Braut" stammt allerdings ein weiterer Höhepunkt, nämlich "Haut und Haar", für DDR-Verhältnisse des Jahres 1986 erneut erstaunlich melodicspeedlastig und auch heute noch hörenswert, allerdings auch damals hoch gehandelt: Im Dezember 1986 stieg der Song in der Hörerhitparade "Beat-Kiste" auf Jugendradio DT 64 von Null auf Eins ein. Die DDR-Metaller hatten eben doch Geschmack. Oder doch nicht? Unter den sieben Livesongs, die auf der Raritätenscheibe stehen, findet sich jedenfalls auch Warlocks "Shout It Out", schon damals keine Sternstunde des Schaffens der Pesch-Combo, die immer wieder als musikalischer Vergleich für Plattform herhalten mußßte. Die Idee, sowas zu covern, konnte jedenfalls nur in der metallischen Mangelwirtschaft der DDR entstehen. Da ist die Wahl des anderen Covers (gemäß der Ansage übrigens wohl bei "Metal für Nikaragua" oder einem ähnlichen Event mitgeschnitten, bei dem an das Publikum kein Bier ausgeschenkt werden durfte - sowas gab's auch fast nur in der DDR) schon anspruchsvoller: "Bloodstone" von Judas Priest, zudem ein interessantes Experiment, Rob Halfords Gesang von einer Frau übernehmen zu lassen, die bedarfsweise ähnlich kreischen konnte wie der Brite. Leider erweist sich Micky gerade in diesem Mitschnitt stimmlich als äußerst treffunsicher, was den Hörgenuß doch merklich beeinträchtigt und das interessante Experiment ein wenig gegen den Baum fährt. In den eigenen Songs agiert sie etwas sicherer, aber trotzdem immer mal neben der Spur, während der historische Sound logischerweise den technischen Möglichkeiten geschuldet ist, auch wenn das blecherne Intro von "Heavy-Braut" Schlimmeres befürchten läßt, als man dann letzten Endes zu hören bekommt - nur die zweite Gitarre bleibt in einigen der Songs sehr wenig präsent, was bei Wechselleads dann zu Problemen führt. Das kann man schön hören, wenn man "Heavy-Braut" (zweite Gitarre kaum hörbar) und "Der Schweinehund" miteinander vergleicht. Letzterer ist eine von zwei Eigenkompositionen, zu der keine Studiofassung auf der Kompilation steht - ein locker groovender Song mit einer aberwitzigen Solokonstruktion. Auch der zweite Song dieser Kategorie, "Fieber", ist hörenswert; er macht deutlich, daß auch Iron Maiden zu den Einflüüssen der Band zählten, und wer genau hinhört, entdeckt auch noch ein bekanntes klassisches Thema innerhalb des Songs, wohingegen die Toccata d-Moll BWV 565 in "Heavy-Braut" nur als Intro dient. Letztgenannter Song steht schon in der Spätfassung im Liveset, also mit dem eher natürlich-rauhen Bridgegesang, wobei Mickys Gestaltungsversuche, beispielsweise Wiederholungen bestimmter Textzeilen in gesprochener Form, oftmals eher einen bemühten Eindruck hinterlassen. "Abgehaun" scheint live einen Tick langsamer gespielt worden zu sein als in der Studiofassung, wobei die letzte Passage schneller wird - prüfe nach, wer gerade ein Metronom zur Hand hat. Der Speed von "Haut und Haar" schließt sich unmittelbar an und elektrisiert ähnlich wie die Studiofassung - ironischerweise hat man in diesem Song eine der erwähnten Warlock-Komposition ähnliche, allerdings etwas simplifizierte Refrainstrukturierung gewählt, und die paßt hier perfekt rein. Wer nicht mehr perfekt reinpaßte in die Band, war Micky, die 1988 zugunsten einer Solokarriere ausstieg bzw. aussteigen mußte. Der midtempolastige Hardrocksong "Gefahr" von Anfang 1988 war ihr letztes Lebenszeichen mit Plattform, denn das in der gleichen Session eingespielte "Orient-Express" (auch unter "Truck" bekannt) verblieb in instrumentaler Fassung, macht aber auch so jede Menge Hörspaß: flotter Beat, schöne, leicht orientalisch angehauchte Hauptmelodie, starke Gitarrenarbeit und nur wieder in manchen Breaks zu viele Effekte, in diesem Falle auf den Drums. Eine neue Sängerin fand sich nicht, Mickys Nachfolger war wieder männlich, und mit ihm wurden anno 1989 die letzten beiden Songs der Kompilation eingespielt, das erneut schnelle, stilistisch auf Bands wie Mind Odyssey vorausweisende oder, wenn man so will, sich an deren Vorgängern Merlin orientierende "Stapellauf" und das in eine ähnliche Kerbe hauende "Kalt und heiß". Nach der Wende waren Plattform eine der sehr wenigen alten Ostbands, die trotz etlicher Umbesetzungen kontinuierlich weiterarbeiteten, wenngleich in der neuen Schreibweise Platvorm. Allerdings bekam man mit den Eigenkompositionen kein Bein auf den Boden (es war ja auch gerade die Zeit, als im Nirvana-Wahn die rockenden bzw. metallischen Traditionalisten generell schief angesehen wurden), weshalb man zu einer Coverband mutierte und als solche noch heute arbeitet. In der aktuellen Besetzung spielen mit Bandkopf Detlef Kotte und Drummer Ulli Ulbrich noch zwei Mitglieder der Achtziger-Plattform. Die CD ist mit 67 Minuten nicht ganz bis zum Rand gefüllt, so daß vielleicht auch noch ein Einblick in die letzten Songs der Frühneunziger hätte gewährt werden können, aber möglicherweise erblickt dieses Material ja auch noch in einem anderen Kontext das Licht der Welt. Derweil greifen Nostalgiker, Ostalgiker und alle, die ehrlichen Metal zwischen klassischem Hardrock und Melodic Speed mögen, bei der vorliegenden CD bedenkenlos zu und holen sich parallel auch gleich noch die im Text erwähnte Amiga-Heavy-Box.

(geschrieben von Roland Ludwig im Oktober 2009)

 
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